Die Kolpingsfamilien des Bezirks Wiesloch waren auf dem Jakobsweg im Jagst-Tal von Züttlingen bis Neudenau unterwegs

Seit zehn Jahren gibt es den Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer, und er erfreut sich wachsender Beliebtheit. Es ist ein spiritueller Pilgerweg, führt durch zauberhafte Landschaften, zu idyllischen Fleckchen Erde und zeigt dem Pilger die ganze Größe und Schönheit der Schöpfung. Seit einigen Jahren treffen sich die Kolpingsfamilien des Bezirks Wiesloch an einem Wochenende im Frühling, um gemeinsam ein Stück des Weges zu gehen zusammen mit dem Initiator des Weges, dem ehemaligen Mühlhäuser Pfarrer Manfred Tschacher, heute Leiter der Seelsorgeeinheit Eppingen. In diesem Jahr führte der Jakobsweg die Pilgerschar vom Züttlingen über Siglingen nach Neudenau Der Weg ist eingebettet in eine herrliche, alte Kulturlandschaft an der Jagst, die sich an diesem Tag in der strahlenden Frühlingssonne präsentierte. Hier an der Jagst haben die Menschen gestaltend, aber positiv, in die Natur eingegriffen und eine faszinierende Kulturlandschaft geschaffen.

Leitgedanke der Pilgerschaft war in diesem Jahr ein Zitat von Adolph Kolping: „Anfangen ist oft das Schwerste, treu bleiben das Beste“. In der St.-Lukas-Kirche in Züttlingen ging es vor Beginn der Pilgerwanderung in einer Meditation um das Wort „Anfangen“. Neu anfangen bedeute, das Leben selbst in die Hand nehmen, Verantwortung für das eigene Leben übernehmen. Jeder könne sein „Lebensmaterial“ in die Hand nehmen und gestalten. Diese Lebensgeschichte bestehe aus den eigenen Stärken und Schwächen, den Erfahrungen von Geborgenheit und Selbstvertrauen, aber auch von Verletzungen und Kränkungen, manchmal seien es auch die Scherben zerbrochener Lebensträume. Egal wie das Leben früher verlaufen sei, ein Neuanfang sei immer möglich.

Angeführt von den Bannern der Kolpingsfamilien aus Brühl, Hockenheim, Ketsch, Mühlhausen, St. Leon und Wiesloch und dem Jugendbanner aus Brühl zog eine Prozession von 120 Kolpingsschwestern und –brüdern durch die Frühlingslandschaft des Jagsttals. Beim Rokokoschloss von Assumstadt, das im Jahre 1760 im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia von Österreich erbaut wurde, gab es beim Frühlingsmarkt eine kurze Pilgerrast. Der weitere Weg führte mal näher, mal etwas weiter vom Flüsschen entfernt durch das Tal. Bald sah man in der Ferne den romanischen Kirchturm der St.-Gangolf-Kapelle vor den Toren von Neudenau. Das Thema „Sich selbst treu bleiben“ bedachte man am Symbol des Baumes. Die Wurzeln eines Baumes reichen in die Tiefe des Bodens und nehmen Wasser und Nahrung auf. Auch der Mensch hat seine Wurzeln, die ihn festhalten, die ihm Standfestigkeit und Halt geben

Die teils romanische, teils gotische St. Gangolfskapelle ist ein besonderes Kleinod am Wegesrand. Erstmals erwähnt wurde die dem heiligen Gangolf gewidmete Kapelle als Pfarrkirche es Ortes Deitingen im Jahre 1276. Bekannt ist die Kapelle auch durch den „Gangolfritt“, eine Pferdewallfahrt jeweils am zweiten Sonntag im Mai. Kirchenpatron Gangolf wird als Schutzherr von Quellen und als Patron von Reitern, Pferden und Hausvieh verehrt. Die zahlreichen Hufeisen an der Eingangstür erinnern an die Tradition der Pferdewallfahrten, die in Mosbach ihren Anfang nahmen. Außerhalb der Kapelle gibt es eine Quelle, die bereits in vorchristlicher Zeit Wasser spendete und für die Menschen ein Quellheiligtum war.

Wenn der Pilger die Kapelle beritt, ist er fasziniert von all der Kunst. Dabei präsentierte sich Pfarrer Tschacher als versierter Kunstführer. Ein erster Blick fällt auf den Gangolfaltar, dem ursprünglichen Hochaltar. In seinem Mittelschrein enthält der Altar drei Skulpturen: Den heiligen Gangolf mit Hut, Stab und Schwert, St. Mauritius und den heiligen Martin, der mit seinem Schwert den Mantel teilt. In den Gewölbekappen des Chors ist das Jüngste Gericht zu sehen. Christus als Weltenrichter ist mit einem Schwert ausgestattet. Flankiert wird er von Johannes dem Täufer, der Gottesmutter, den Engeln mit Schwertern, den Aposteln, den Seligen im Paradies und den Verdammten in der Hölle. Ein umfangreicher Zyklus erzählt vom Leben und Sterben der Martyrer. Man sieht die Steinigung des Stephanus, das Martyrium des Laurentius, die Leiden des Kirchenpatrons Gangolf, der, von Wurfspießen durchbohrt, stirbt. Im Chorraum der Kapelle sieht man ein Fresko, das die Pilgerkrönung durch den heiligen Jakobus zeigt.

Von St. Gangolf aus war es nicht mehr weit in das hoch über dem Tal gelegene Neudenau mit seiner katholischen Pfarrkirche St. Laurentius. Da die Kirche derzeit renoviert wird, fand die abschließende Statio vor der Kirche statt. Beim Thema „Der Kirche treu bleiben“ ging es vor allem um den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Bei der scharfen Kritik an der Kirche gehe es in erster Linie um die Art und Weise, wie sie in der Vergangenheit mit ihr bekannten sexuellen Übergriffen umgegangen ist. Sexueller Missbrauch sei ein Verbrechen, und wer schuldig ist, müsse bestraft werden. Allzu lange habe man weggeschaut. Die Kirche habe Machtstrukturen zugelassen und oft den Klerikalismus gefördert, der wiederum Gewalt und Missbrauch begünstigt habe.

Mit dem Kolpingslied endete dieser letzte, meditative Halt. Zum gemütlichen Abschluss kehrte man gemeinsam im „Gasthaus Jagsttal“ ein. Zugleich verabredeten sich die Kolpingsfamilien des Bezirks Wiesloch, den Weg in Richtung Speyer im Frühling 2020 fortzusetzen.